Bundeskartellamt wirft Facebook missbräuchliche Datensammlung vor

Nach vorläufiger Einschätzung der Regulierungsbehörde nutzt das Social Network seine marktbeherrschende Stellung aus, indem es Nutzerdaten aus Drittquellen sammelt. Facebook widerspricht und behauptet, das Kartellamt zeichne ein „fehlerhaftes Bild“.

Björn GreifRedakteur

Hast du dich schon mal darüber gewundert, dass du auf Facebook oft Werbung für Produkte angezeigt bekommst, nach denen du kurz zuvor im Netz gesucht hast? Möglich machen dies sogenannte Tracker, die in Websites eingebunden sind und dein Surfverhalten überwachen. Facebook ist mit seinen Trackern auf 27,1 Prozent aller aufgerufenen Webseiten vertreten, um möglichst alles über deine Interessen zu erfahren und diese Informationen für Werbezecke zu nutzen. Nur Googles Reichweite ist mit einem Anteil von 60,3 Prozent nochmals deutlich größer. Das belegt die von Cliqz und Ghostery durchgeführte internationale Studie „Tracking the Trackers: Analysing the global tracking landscape with GhostRank“, für die über 144 Millionen Seitenaufrufe (page loads) ausgewertet wurden.

Seit 2016 untersucht das Bundeskartellamt, ob Facebook eine marktbeherrschende Stellung in Deutschland einnimmt und diese als „datengetriebenes Unternehmen“ missbraucht. Jetzt hat die Regulierungsbehörde dem Social Network ihre vorläufige rechtliche Einschätzung übersandt. Nach aktuellem Stand geht sie davon aus, dass Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend ist. Weiter ist das Bundeskartellamt der Ansicht, dass Facebook missbräuchlich handelt, indem es die Nutzung seines Netzwerks davon abhängig macht, unbegrenzt jegliche Art von Nutzerdaten aus Drittquellen sammeln und mit dem Facebook-Konto zusammenführen zu dürfen. Zu diesen Drittseiten gehörten zum einen konzerneigene Dienste wie WhatsApp und Instagram, zum anderen aber auch Webseiten und Apps anderer Betreiber, auf die Facebook über Schnittstellen zugreifen kann. Dazu erklärt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts:

Wir sehen vor allem die Datensammlung außerhalb des sozialen Netzwerks von Facebook und ihre Zusammenführung mit dem Facebook-Konto als problematisch an. Mithilfe von Schnittstellen fließen auch dann Daten an Facebook und werden dort gesammelt und verwertet, wenn man andere Internetseiten besucht. Dies geschieht sogar schon, wenn man z.B. einen „Gefällt Mir-Button“ gar nicht nutzt, aber eine entsprechende Seite aufgerufen hat, in die ein solcher Button eingebettet ist. Dies ist den Nutzern nicht bewusst. Wir sehen nach dem jetzigen Stand der Dinge auch nicht, dass zu diesem Verhalten von Facebook, dem Daten-Tracking und der Zusammenführung mit dem Facebook-Konto, eine wirksame Einwilligung der Nutzer vorliegt. Das Ausmaß und die Ausgestaltung der Datensammlung verstößt gegen zwingende europäische Datenschutzwertungen.

Nutzungsbedingungen verstoßen teilweise gegen den Datenschutz

Nach der vorläufigen Auffassung des Bundeskartellamtes muss Facebook als marktbeherrschendes Unternehmen bei dem Betrieb seines Geschäftsmodells berücksichtigen, dass seine Nutzer nicht auf andere soziale Netzwerke ausweichen können. Die Teilnahme am Facebook-Netzwerk setze eine Registrierung und eine uneingeschränkte Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen zwingend voraus. Der Nutzer werde vor die Wahl gestellt, entweder das „Gesamtpaket“ zu akzeptieren oder auf die Nutzung des Dienstes zu verzichten. Nach vorläufiger Bewertung seien die Nutzungsbedingungen von Facebook “zumindest in diesem Punkt nicht angemessen”. Sie verstießen zu Lasten der Nutzer gegen den Datenschutz.

Facebook weist die Vorwürfe einer marktbeherrschenden Stellung zurück. In einer Stellungnahme mit dem Titel „Popularität ist nicht gleich Dominanz“ erklärt Yvonne Cunnane, Head of Data Protection von Facebook Irland: „Der vorläufige Bericht des Bundeskartellamts zeichnet ein fehlerhaftes Bild von Facebook.“ Ein dominierendes Unternehmen agiere in einer Welt, in der Kunden keine Alternativen haben. Doch ein Blick auf den Startbildschirm eines durchschnittlichen Smartphone-Nutzers zeige, dass Facebook keine marktbeherrschende Stellung einnehme. Schließlich verwendeten Durchschnittsnutzer sieben unterschiedliche Social-Media-Apps oder -Dienste wie Snapchat, YouTube oder Twitter. Die von Cunnane angeführten Dienste hatte das Bundeskartellamt im Rahmen des Missbrauchsverfahrens aber ausgeklammert, weil sie größtenteils anderen Bedarfszwecken dienen.

„Facebook verfügt über riesige Mengen personalisierter Daten“

Das laufende Verfahren bezieht sich explizit auf die Sammlung und Verwendung von Nutzerdaten aus Drittquellen, nicht auf die Datensammlung und -verwendung auf den Facebook-Seiten selbst. Die Behörde lässt ausdrücklich offen, ob auch hier Datenschutzverstöße und ein Missbrauch von Marktbeherrschung vorliegen oder nicht.

Facebooks Tracker sind auf zahlreichen Websites aktiv (Screenshot: WhoTracks.me).

Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Bewertungen arbeitet das Bundeskartellamt eng mit Datenschutzbehörden zusammen. „Datenschutz, Verbraucherschutz und der Wettbewerbsschutz kommen an der Stelle zusammen, an der Daten, wie bei Facebook, einen wesentlichen Faktor für die wirtschaftliche Dominanz eines Unternehmens darstellen“, so Kartellamtschef Mundt. „Auf der einen Seite steht mit dem sozialen Netzwerk eine kostenlose Dienstleistung, auf der anderen Seite stehen attraktive Werbeplätze, deren Wert gerade deshalb so hoch ist, weil Facebook über riesige Mengen personalisierter Daten verfügt. Dabei muss sich Facebook an die Regeln und Gesetze halten.“

Abschließende Entscheidung frühestens Mitte 2018

In Bezug auf die Datensammlung verweist Facebooks Datenschutzmanagerin Cunnane auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die Ende Mai 2018 in Kraft treten soll. Das Unternehmen werde die Vorgaben der DSGVO selbstverständlich befolgen und in den kommenden Monaten „zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten“ einführen. Zudem wolle es Nutzer umfassender darüber informieren, wie es ihre Privatsphäre und Sicherheit zu gewährleisten gedenkt. Man sei zuversichtlich, mit seinem Ansatz die vom Bundeskartellamt aufgeworfenen Fragen beantworten zu können.

Facebook hat nun die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und weitere Rechtfertigungsgründe oder Lösungsvorschläge vorzubringen. Anschließend muss das Bundeskartellamt entscheiden, ob es das Verwaltungsverfahren einstellt, Verpflichtungszusagen von Facebook verlangt oder eine Untersagung ausspricht. Mit dem Abschluss des Verfahrens ist jedoch nicht vor Frühsommer 2018 zu rechnen.

Nationale Datenschutzgesetze und Regulierung können im grenzenlosen Web jedoch niemals einen vollständigen Schutz vor dem allgegenwärtigen Tracking bieten. Daher solltest du selbst aktiv werden, wenn du auf deine Privatsphäre bedacht bist. Eine einfach anwendbare und effiziente Lösung sind Anti-Tracking-Tools wie Ghostery. Auch im Cliqz Browser ist bereits ein Tracking-Schutz integriert. Ghostery steht als Erweiterung für alle gängigen Browser zum kostenlosen Download bereit. Der ebenfalls kostenlose Cliqz Browser liegt für Windows und macOS sowie für Android und iOS vor.