Rettet die Netzneutralität: internetweiter Aktionstag

Die gemeinsame Botschaft hunderter teilnehmender Organisationen an die Aufsichtsbehörde FCC und den US-Kongress lautet: „Legt Euch nicht mit dem Internet an!“ Mit fiktiven Warnhinweisen auf ihren Websites wollen sie die negativen Folgen der geplanten Abschaffung der Netzneutralität in den USA verdeutlichen.

Björn GreifRedakteur

Am heutigen 12. Juli findet ein internetweiter Aktionstag zur Rettung der Netzneutralität statt, an dem sich auch Cliqz beteiligt. Hunderte Organisationen wollen mit fiktiven Warnhinweisen auf ihren Websites und in ihren Apps gegen die geplante Abschaffung der Netzneutralität in den USA protestieren. Bürgerrechts- und Non-Profit-Organisationen, Technikfirmen, Bibliotheken und Künstler haben ihre Unterstützung zugesagt, um das offene Internet zu verteidigen. Gemeinsam rufen sie alle Internetnutzer auf, der Aufsichtsbehörde FCC und dem von den Republikanern dominierten US-Kongress eine eindeutige Botschaft zukommen zu lassen: „Legt Euch nicht mit dem Internet an!“

„Das Internet gründet auf dem Prinzip der Netzneutralität. Wir dürfen es jetzt nicht aufgeben, indem wir Breitbandserviceanbietern erlauben, die Torwächter des Internets zu werden. Wenn du für den Zugang zum Internet bezahlst, dann solltest du auch auf das gesamte Web zugreifen können und nicht nur auf die Version, die dir dein ISP anbietet“, heißt es auf der Website der Electronic Frontier Foundation (EFF).

FCC will bisherige Regelung abschaffen

Nach dem Prinzip der Netzneutralität muss der Datenverkehr im Internet neutral geregelt sein. Es schließt bezahlte Überholspuren aus, über die bestimmte Datenpakete schneller weitergeleitet werden. Ebenso wenig dürfen Netzbetreiber andere Datenpakete – etwa von Wettbewerbern – künstlich ausbremsen oder blockieren.

In den USA steht die Netzneutralität, wie sie 2015 unter der Regierung Obama durch strenge Regeln zum Erhalt eines offenen Webs gefestigt wurde, vor dem Aus. Der republikanische Vorsitzende der Federal Communications Commission (FCC), Ajit Pai, hatte Ende April angekündigt, die Regelung nach „Title II“ des Communications Act aufheben zu wollen. Er plant, die Klassifizierung von Internet Service Providern (ISP) wie AT&T, Comcast oder Verizon als öffentliche Versorger rückgängig zu machen. Diese ebnete den Weg für strengere Regulierungsvorschriften für ISP wie denen zum Online-Datenschutz, die jedoch Mitte März noch vor dem Inkrafttreten durch den Kongress und Präsident Trump aufgehoben wurden. Seitdem dürfen US-Provider Daten über sämtliche Online-Aktivitäten ihrer Kunden ohne deren Einwilligung an den Höchstbietenden verkaufen. Am 18. Mai stimmte die FCC schließlich wie erwartet mit 2:1 für Pais Vorschlag. Noch bis Mitte August kann jedermann einen Kommentar zu den Plänen abgeben.

Das ist nun ganz einfach über die am Aktionstag auf vielen Websites angezeigten Banner möglich. Nach Angabe ihres Namens, ihrer Anschrift und ihrer E-Mail-Adresse können Verbraucher ein vorformuliertes Schreiben an die FCC senden. Unter anderem stellt die EFF ein solches Musterschreiben bereit. Es fordert die Aufsichtsbehörde auf, die geplante Aufhebung der bisherigen FCC-Regelung zu stoppen und somit für das Fortbestehen der Netzneutralität in ihrer jetzigen Form zu sorgen.

Ohne Netzneutralität kein offenes Internet

Die großen ISP sind natürlich für eine laxere Regulierung. Nach aktueller US-Rechtslage dürfen sie keine legalen Webinhalte bevorzugen oder durch Sperren bzw. Drosselung benachteiligen. Künftig können sie aber auf zusätzliche Einnahmequellen durch neue Premium-Geschäftsmodelle hoffen. Wer zahlt, dessen Datenpakete werden schneller übertragen. Die Netzneutralität sei ein Hemmnis für Innovationen und Investitionen in den Netzausbau, so ihr Argument.

Verbraucherschützer widersprechen dem und äußern Bedenken, dass die Netzanbieter ihre Position als Torwächter zum Internet ausnutzen und künftig kontrollieren könnten, welche Webinhalte Nutzer zu welchem Preis zu sehen bekommen. Verbraucher wären dadurch der Gnade der Telefon- und Kabelgesellschaften ausgeliefert, fürchtet die Verbraucherschutzgruppe Free Press, die sich wie etwa Mozilla, Amazon und Twitter am Aktionstag zur Rettung der Netzneutralität beteiligt.

Auch die Internet Association, welche die Interessen von Internetkonzernen wie Google, Facebook oder Netflix vertritt, spricht sich für die Beibehaltung des bisherigen FCC-Regelwerks zur Netzneutralität aus. Andernfalls seien ein „schlechteres Internet für Verbraucher“ und „weniger Online-Innovationen“ zu erwarten.

Für Cliqz-Geschäftsführer Marc Al-Hames ist die Netzneutralität Grundvoraussetzung für ein offenes Internet, für das Cliqz kämpft: „Alles andere würde das Web, wie wir es heute kennen, zerstören.“