Datensparsamkeit ade: CDU will Firmen noch mehr Daten sammeln lassen

Die Union hält das Prinzip der Datensparsamkeit für ein Wachstumshemmnis. Wir bei Cliqz sind hingegen der Ansicht, dass es für persönlich identifizierbare Informationen uneingeschränkt weiter gelten muss.


Björn GreifRedakteur

Geht es nach dem Willen der CDU, soll die Wirtschaft in Zukunft mehr Daten sammeln und auswerten dürfen. Das soll den Weg für neue Geschäftsmodelle ebnen, und hiesige Unternehmen konkurrenzfähiger gegenüber Konzernen aus dem Silicon Valley machen. Laut einem dem Spiegel zugespielten Strategiepapier arbeiten CDU-Netzpolitiker bereits daran, den Datenschutz „unternehmerfreundlicher“ zu gestalten. Zugleich kritisieren sie das geltende Prinzip der Datensparsamkeit, nach dem möglichst wenige personenbezogene Informationen erhoben und verarbeitet werden sollen.

“Datensparsamkeit kann heute nicht mehr die generelle Verhaltensleitlinie sein. Denn sie reduziert Chancen für neue Produkte, Dienstleistungen und Fortschrittsmöglichkeiten”, zitiert der Spiegel aus dem Papier des Netzwerks Digitalisierung der CDU. Der Arbeitsgruppe gehören unter anderem die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Nadine Schön, und der digitalpolitische Sprecher Thomas Jarzombek an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Daten in der Vergangenheit wiederholt als „Rohstoff des 21. Jahrhunderts“, der das wirtschaftliche Wachstum fördert. Die Datensparsamkeit erklärte sie mehrfach zum überholten Prinzip. Auch Alexander Dobrindt (CSU), Minister für Verkehr und Digitale Infrastruktur, forderte in einem „Strategiepapier Digitale Souveränität“ eine neue Datenkultur – „weg vom Grundsatz der Datensparsamkeit hin zu einem kreativen, sicheren Datenreichtum“. Zudem schlägt er ein Datengesetz vor, das ein Recht auf „Dateneigentum“ etabliert, also Daten mit Sachen gleichstellt. Was zunächst nach einer Stärkung der Nutzerrechte klingt, kann mittelfristig die Position von Unternehmen festigen, die Daten verarbeiten und damit handeln.

Wir fordern eine stärkere Regulierung beim Austausch personenbezogener Daten

Im Zuge der zunehmenden Verbreitung vernetzter Alltagsgegenstände, Autos und Smart Homes fallen immer mehr Daten an, die für die Wirtschaft sehr interessant sind. Aber nur wenn die gesammelten Daten keine persönlich identifizierbaren Informationen (PII) enthalten, sind Geschäftsmodelle auf Basis von Big-Data-Auswertung unbedenklich.

Wir plädieren dafür, den Datenschutz nicht – wie von den CDU-Netzpolitikern beabsichtigt – zu schwächen, sondern ihn noch weiter zu stärken: Der Schutz personenbezogener Daten sollte unangetastet bleiben. Außerdem ist die Definition von PII zu überdenken, da sie in ihrer jetzigen Form zu kurz greift. Ein Beleg dafür ist, dass sie den Surfverlauf völlig außer Acht lässt. Dieser verrät aber so viel über einen Nutzer, dass er mit relativ geringem Aufwand identifiziert werden kann. Schon eine einzige URL, zum Beispiel die des persönlichen Facebook-Profils, reicht aus, um einen einzelnen User zu deanonymisieren. Dann ist es vergleichsweise einfach, Website-Besuche und Suchen im Web dieser Person zuzuordnen. Und genau diese Daten verraten viel über unser Kaufverhalten sowie Interessen und sind von großem kommerziellen Wert. Sie offenbaren aber unter Umständen auch unsere politischen Einstellungen, Reisepläne, ja sogar unseren Gesundheitszustand, unsere finanzielle Situation und unsere sexuellen Vorlieben.

Wie kann es also sein, dass hunderte Betreiber von Tracking-Skripten ohne jegliche sinnvolle Regulierung auf nahezu jeder Website solcherlei Daten erheben, untereinander austauschen und vermarkten dürfen? Wer die Privatsphäre ernsthaft schützen will, muss dafür sorgen, dass solche Daten eben auch als personenbezogene Informationen behandelt und rechtlich geschützt werden. Nur ein Beispiel dafür, dass wir nicht lockerere, „wirtschaftsfreundlichere“ Regeln brauchen, sondern strengere.

Gelockerter Datenschutz stärkt Google, Facebook und Co

Das Prinzip der Datensparsamkeit ist aus unserer Sicht keinesfalls überholt und muss weiterhin uneingeschränkt für PII gelten. Mehr noch: in einer Welt, in der die Digitalisierung den gesamten Alltag immer stärker durchdringt, muss das Erheben, die Nutzung und die Weitergabe aller Daten, anhand derer Bürger identifiziert werden können, stärker reguliert werden. Sonst lädt man Unternehmen geradezu dazu ein, jeden unserer Schritte zu überwachen und mit höchst privaten Daten Geschäfte zu machen.

Das Argument der CDU, die Chancen der deutschen Wirtschaft gegenüber der Konkurrenz aus dem Silicon Valley würden durch einen gelockerten Datenschutz steigen, halten wir von Cliqz für Unsinn. Ganz im Gegenteil: Die großen Player, allen voran Google und Facebook, würden als erstes massiv davon profitieren, wenn die hiesigen strengen Datenschutzregeln aufgeweicht würden. Sie könnten ihre bereits bestehende Marktdominanz dann praktisch ungebremst weiter ausbauen. Die Netzpolitiker der Union würden der deutschen Digitalwirtschaft mit ihrem vermeintlich unternehmerfreundlicheren Ansatz einen Bärendienst erweisen. Deutsche Unternehmen sollten den Datenschutz als ein starkes Verkaufsargument begreifen und als Möglichkeit, sich gegenüber dem Silicon Valley zu profilieren. Genau das tun wir mit Cliqz.