Der Deal mit unseren Daten: das Ende der Privatsphäre?
Darüber diskutierten Experten aus Wirtschaft, Medien und Politik zum Auftakt der neuen Talkreihe „Burda…talk!“, die gesellschaftlich relevante Themen kontrovers beleuchtet.
Am Montagabend startete Hubert Burda Media sein neues Diskussionsformat Burda…talk!, das gesellschaftlich relevanten Themen unserer Zeit auf den Grund geht und mit interessanten Speakern aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Das Thema der Auftaktveranstaltung lautete: „Der Deal mit unseren Daten: Das Ende der Privatsphäre oder Motor für Innovation?“
Auf der Bühne: Paul-Bernhard Kallen, CEO Hubert Burda Media, die bayerische Grünen-Chefin Katharina Schulze, Stefan Vilsmeier, der mit Big Data in seinem Unternehmen Brainlab die Gehirnchirurgie revolutioniert hat, und Marc Al-Hames, Geschäftsführer der Cliqz GmbH, der mit dem gleichnamigen Browser das Internet sicherer machen will. Politik, Medienmacher, IT-Start-ups. Der Journalist und Autor Dominik Wichmannn führte durch den Abend.
Der Gewinner der DSGVO: Google
„Google spioniert uns heute mehr aus, als sie es Anfang des Jahres getan haben.“ Das ergab eine Studie, die Marc Al-Hames mit seinem Team von Cliqz durchgeführt hat und überprüft, wie sich das Web vor und nach der DSGVO verändert hat. Dann führt er fort: „Damit ist Google ein Gewinner der Datenschutzgrundverordnung. Der Internet-Riese hat heute eine größere Reichweite mit Trackern als vor der Einführung des Gesetzes.“ Stille im Publikum. Die Datenschutzgrundverordnung sei zwar ein guter erster Schritt und ein Zeichen von Europa in Richtung Datenschutz, das Gesetz regele aber lediglich nur nach, was vor 20 Jahren hätte passieren müssen.
Drei Punkte, in denen sich das Netz verändert hat
Jeder der Panel-Gäste schilderte zunächst in einem kurzen Eingangsstatement seine Position, bevor es in die Diskussion ging. Paul-Bernhard Kallen erklärte, dass der „Deal mit unseren Daten“ zwei Seiten habe: „Daten sind eine große Chance für die Industrie und gerade für die Forschung, um Muster zu erkennen und hieraus großartige Dinge zu entwickeln.“ Es gäbe aber auch eine andere Seite, die Consumer Industry, so Kallen weiter. „Diese Seite betrifft uns, die Medien machen und Handel betreiben. Aus dieser Perspektive hat sich das Netz in drei großen Punkten anders entwickelt, als wir es uns Mitte der Neunziger Jahre erhofft hatten: Wie geht es mit den persönlichen Daten weiter? Wie halten wir den Markt offen, ohne dass Google und Co bestimmen, was wir tun? Und wie schützen wir unsere Demokratie angesichts dessen, was mit Daten, Algorithmen und Monopolen tatsächlich machbar ist?“
Aufklärung und Bildung
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, betonte mehrfach an diesem Abend, dass die Aufklärung der Bürger eine der wichtigsten Aufgaben der Politik sei. Digitalbildung müsse an den Schulen ein reguläres Unterrichtsfach sein. Man müsse die Medienkompetenzen stärken und den Menschen helfen, zu mündigen Bürgern zu werden. Viele kleine und mittelständische Unternehmen seien durch die Einführung der Datenschutzgrundverordnung völlig verunsichert worden. Hier hätte die Politik mehr Informationsarbeit leisten müssen. Das alles sei Aufgabe der Länder.
Innovationsbremse
Diese Verantwortung der Länder steht dem Unternehmer Stefan Vilsmeier, der mit seiner Soft- und Hardware Leben rettet, oft im Weg: „Wenn wir Produkte implementieren, müssen wir anfangen, mit jedem Datenschützer über dessen individuelle Auslegung der Gesetze zu diskutieren.“ Was fehlt sei eine Abstimmung auf Bundesebene, so Vilsmeier. „Wir haben kein Problem mit einem strengen Datenschutz, wir haben aber ein Problem damit, dass dieser in jedem Bundesland völlig unterschiedlich ausgelegt werden kann. In manchen Krankenhäusern müssen Patientendaten gelöscht werden, sobald der Patient das Krankenhaus verlässt, in anderen dürfen sie für die nächsten zehn Jahre nicht gelöscht werden.“
Wettbewerbsverzerrung
Al-Hames, der mit dem Cliqz Browser selbst auch an digitaler Zukunftstechnologie arbeitet, bemängelte die Wettbewerbsverzerrung im digitalen Markt:
„Wir sind mittlerweile sehr gut darin, das Kleine zu regulieren, dabei verlieren wir aber das Grundsätzliche aus den Augen.“ Die Regulierungen seien in anderen Ländern wie Amerika deutlich laxer und China setze gerade den kleinsten Standard, den man haben kann. „Wie wollen wir als Europäer mit einem Staat konkurrieren, der letztendlich keinerlei Datenschutz kennt? Da können wir nur verlieren, wenn wir erlauben, dass diese Systeme auf den europäischen Markt kommen. Hier müssen wir uns als Europäer irgendwann fragen, wollen wir alles mitmachen? Dann können wir den Datenschutz auch gleich komplett aufheben. Oder wollen wir unsere Werte verteidigen? Wir haben eine Geschichte in Europa in Sachen Privatsphäre. Diese müssen wir verteidigen.“
In einer anschließenden Fragerunde hatten die Zuschauer die Möglichkeit, mit den Panelisten zu diskutieren. Burda…talk! ist eine Einladung für alle, sich am Diskurs zu beteiligen, die eigene Meinung zu überprüfen und andere Perspektiven zu verstehen.
„Fast Forward“
Der Auftaktveranstaltung von Burda…talk! werden weitere Diskussionsrunden zu gesellschaftlich relevanten Themen entlang der Digitalisierung folgen. Gleichzeitig hat Hubert Burda Media eine Podcast-Reihe mit dem Titel „Fast Forward“ gestartet, die sich in der ersten Folge ebenfalls mit der Frage beschäftigt, warum Datenschutz ein so wichtiges Zukunftsthema ist und wie ein besseres Internet in Zukunft aussehen könnte. In jeder der sechs Folgen der ersten Staffel diskutieren Experten und Ingenieure über Ideen, Technologien und Tools, die die Zukunft gestalten. Hierbei geht es neben Datenschutz auch um Themen wie die Blockchain-Technologie, Künstliche Intelligenz oder E-Health. Hier geht’s zur Podcast-Reihe.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Burda-Blog.