Der brutale Kapitalismus der US-Digitalkonzerne

Mit der wettbewerbswidrigen Beherrschung ganzer Wertschöpfungsketten und skrupelloser Steuervermeidung schöpfen Google, Apple und Co Milliardengewinne aus Europa ab.

Der brutale Kapitalismus der US-Digitalkonzerne

Mit der wettbewerbswidrigen Beherrschung ganzer Wertschöpfungsketten und skrupelloser Steuervermeidung schöpfen Google, Apple und Co Milliardengewinne aus Europa ab.

Björn GreifRedakteur

Die großen Technologiekonzerne aus den USA erwirtschaften in Europa immer höhere Milliardengewinne. Sie haben die digitalen Wertschöpfungsketten unter ihre Kontrolle gebracht und können die Gewinne daraus mühelos aus der EU herausleiten. Beispielsweise wird der lukrative Online-Werbemarkt fast vollständig von Google und Facebook dominiert. Sie beuten skrupellos die Daten europäischer Nutzer aus, ohne dass europäische Länder wie Deutschland einen fairen Anteil an der Wertschöpfung erhalten.

Die US-Monopolisten bedrohen durch ihre Marktmacht und das ungebremste Sammeln unserer Daten nicht nur den Wettbewerb. Sie gefährden auch unseren Wohlstand. Das Geschäft mit unseren Daten bringt ihnen riesige Gewinne ein, die aber vollständig nach Übersee fließen. Zudem zahlen sie in den meisten EU-Staaten keinen einzigen Cent Steuern.

US-Konzerne verlagern Gewinne in Steueroasen – auf Kosten der EU

Praktisch alle multinationalen Konzerne schleusen seit Jahren hunderte Milliarden Euro am Fiskus vorbei in Steuerparadiese – wenn auch meist auf legalem Weg (durch rigoroses Ausnutzen von Steuerschlupflöchern). Laut einer Studie von Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen und der University of California Berkeley führt die aggressive Steuervermeidung der Großkonzerne dazu, dass die Steuereinnahmen in der gesamten EU rund 20 Prozent niedriger ausfallen. Insbesondere Unternehmen aus den USA verlagerten ihre Gewinne in großem Stil in Niedrigsteuerländer.

Insbesondere US-Unternehmen transferieren Gewinne aus Europa in Steuerparadiese (Bild: Gabriel Zucman, UC Berkeley).

Der Studie zufolge verbuchten multinationale Konzerne zuletzt insgesamt 40 Prozent ihrer Gewinne – rund 600 Milliarden Dollar – in Steueroasen. Davon profitieren hauptsächlich kleine Länder mit niedrigen Steuersätzen wie Irland, Luxemburg oder Singapur. Die größten Verlierer sind europäische Staaten mit hohen Steuersätzen wie Deutschland oder Frankreich – und unterm Strich die gesamte EU.

Der Lieblingstrick der Steuervermeider

Ein bei Google, Apple, Facebook, Amazon und Co beliebtes Steuervermeidungskonstrukt wird von Experten als „Double Irish with a Dutch Sandwich“ bezeichnet. Dabei werden große Teile der in Europa erzielten Gewinne zwischen mehreren irischen und niederländischen Tochtergesellschaften als Lizenzgebühren und Tantiemen verschoben. Auf diese Weise können internationale Unternehmen ihre Steuerlast in Europa sehr gering halten.

Ab 2020 fällt diese Möglichkeit zur Steuervermeidung jedoch weg, weil Irland sein Steuerrecht vor allem auf Druck der EU anpassen musste. Mit Sicherheit haben die Konzerne aber schon neue Steuertricks in petto.

Der EU entgehen jährlich hunderte Milliarden

Allein 2017 hat Google (bzw. dessen Mutterkonzern Alphabet) rund 20 Milliarden Euro auf die Bermudas transferiert, wo ausländische Firmen nicht besteuert werden. Das geht aus Unterlagen der niederländischen Handelskammer hervor. Zuletzt zahlte die Google-Mutter nur eine effektive Steuerrate von 6 Prozent auf ihren Gewinn außerhalb der USA. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Effektivsteuersatz für Unternehmen bei durchschnittlich 20 Prozent. Durch Googles aggressive Steuervermeidung verliert die EU schätzungsweise 50 bis 70 Milliarden Euro jährlich.

Auch Apple verbucht alle in Europa erwirtschafteten Gewinne in Irland. Laut EU-Kommission hat die irische Regierung dem US-Konzern über Jahre unzulässige Steuervergünstigungen gewährt. 2014 lag Apples Steuersatz bei lediglich 0,005 Prozent. Es zahlte auf eine Million Euro Gewinn also nur 50 Euro Steuern. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager forderte Apple bereits 2016 auf, 13 Milliarden Euro Steuern in Irland nachzuzahlen. Dagegen wehrt sich der iPhone-Hersteller bis heute vor Gericht.

(Bild: EU-Kommission)
(Bild: EU-Kommission)

Wird die EU-Digitalsteuer zum Rohrkrepierer?

In der EU gibt es schon seit 2017 Pläne, die Steuergerechtigkeit mit einer Digitalsteuer wiederherzustellen. Statt den Gewinnen sollen EU-Staaten die Werbeerlöse und andere Umsätze aus den digitalen Geschäften von Großkonzernen in ihrem Land mit drei Prozent besteuern. Auch in Deutschland will die Politik offiziell eine Digitalsteuer: Im Koalitionsvertrag sind „Maßnahmen für eine angemessene Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ vorgesehen.

Eine europaweite Umsetzung der Pläne erweist sich jedoch als schwierig. Sie stoßen zum einen auf den Widerstand von Niedrigsteuerländern wie Irland, Niederlande und Luxemburg. Zum anderen haben Google, Apple und Co mit ihrem gigantischen Lobbyapparat in Washington dafür gesorgt, dass sich die Trump-Administration vor „ihre“ Konzerne stellt und mit Gegenmaßnahmen droht. Im Raum stehen etwa Strafzölle auf deutsche Autos. Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von der traditionellen Industrie und dem Export von Gütern wird hier wieder einmal zum Hemmschuh.

Europa muss endlich einen gerechten Anteil erhalten

Nicht nur Deutschland, sondern Gesamteuropa hat es bisher versäumt, eine eigene digitale Infrastruktur aufzubauen. So konnten sich die großen US-Unternehmen eine Vormachtstellung über die gesamte Wertschöpfungskette sichern. Außer unseren Daten fließen auch alle damit erwirtschafteten Gewinne auf die andere Seite des Atlantiks. Zusätzlich zahlen die Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley in Europa so gut wie keine Steuern und drücken sich somit davor, einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens zu leisten.

Damit Europa endlich einen gerechten Anteil an der Wertschöpfung der Daten europäischer Nutzer erhält und nicht als digitale Kolonie endet, muss dringend in eine eigenständige digitale Infrastruktur investiert werden. Europäische Digitalunternehmen würden dann in den Ländern angemessene Steuern zahlen, in denen sie ihre Gewinne tatsächlich erwirtschaften. So ließe sich unser Wohlstand in der digitalen Ära langfristig sichern.