Android-Suchauswahl: Google tanzt der EU auf der Nase herum
Für den geplanten Auswahlbildschirm will Google alternative Suchmaschinenanbieter zur Kasse bitten. Damit setzt sich der Internetriese eindeutig über den politischen Willen der EU hinweg.
Es ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Statt sich nach der EU-Rekordstrafe von 4,34 Milliarden Euro reumütig zu zeigen und die Vorgaben der EU-Wettbewerbshüter bestmöglich zu erfüllen, spielt Google lieber Machtspielchen.
Im Juli 2018 zwang eine EU-Kartellentscheidung den Internetriesen dazu, Android-Nutzern eine Auswahl von Suchmaschinen (und Browsern) anzuzeigen, die sie auf ihrem Mobilgerät als Standard einrichten können. Google setzt diese Vorgabe nun auf seine ganz eigene Weise um: Es will künftig Geld von Suchmaschinenbetreibern kassieren, die als einer von drei Alternativvorschlägen in der geplanten Suchauswahl auf Android-Geräten aufgeführt werden möchten.
Dreist, dreister, Google
Diese „Lösung“ ist ein Schlag ins Gesicht der Regulierer, der Wettbewerber und der Nutzer. Googles inoffizielle Botschaft lautet: „Europa, du bist eine digitale Kolonie. Wir machen, was wir wollen! Und wir haben einen Weg gefunden, noch mehr Geld aus unserer Kolonie herauszuquetschen.“
Cliqz-Geschäftsführer Marc Al-Hames erklärt dazu:
Die Dreistigkeit, mit der Google den klaren politischen Willen der EU missachtet, verblüfft mich immer wieder. Google will zeigen, wer das Sagen hat. Und das geht nur, weil es im Bereich der digitalen Infrastruktur keine ernstzunehmenden europäischen Anbieter gibt und wir komplett von den Big-Tech-Konzernen aus den USA abhängig sind.
Nach dem Willen von Google müssen alternative Suchmaschinen bis spätestens 13. September 2019 einen Preis nennen, den sie jedes Mal zu zahlen bereit sind, wenn ein Nutzer ihre Suche bei der Ersteinrichtung eines Android-Geräts zum Standard macht. Eine solche Auktion ist jährlich in jedem EU-Land geplant. Google spricht zudem von einer Mindestgebotsgrenze, ohne sie näher zu definieren. Die gebotenen Beträge sollen geheim bleiben.
Die drei Höchstbietenden, die die Gebotsschwelle für ein bestimmtes Land erreichen oder überschreiten, erscheinen auf dem Auswahlbildschirm für dieses Land. Falls nicht ausreichend zulässige Gebote eingehen, werden die Suchmaschinen für die verbleibenden Plätze zufällig bestimmt. Anfang 2020 soll die Suchauswahl auf neuen Android-Geräten in Europa eingeführt werden.
Google pervertiert die Absicht der Regulierer
Google nennt das Auktionsformat „eine faire und objektive Methode, um zu entscheiden, welche Suchanbieter in dem Auswahlbildschirm vertreten sind“. Tatsächlich wird die Platzvergabe so aber zu einem finanziellen Machtspiel, das nur Google, Bing und ihre Vertriebspartner mitspielen können. Zu Letzteren zählen alle Suchmaschinen, die den Google- oder Bing-Index (samt Suchanzeigen) verwenden. Wirklich unabhängige Suchmaschinenanbieter wie Cliqz, die einen eigenen Index nutzen und nicht durch Google- bzw. Bing-Werbung finanziert werden, können somit nicht konkurrieren.
„Hier von Fairness zu sprechen, ist absurd“, sagt Al-Hames.
Wenn der Höchstbietende den Zuschlag bekommt und nicht der Beste, ist der User der Gelackmeierte. Nutzer müssen die Wahl haben, ob sie sich zum Beispiel für die privateste oder die innovativste Suche entscheiden. Und: Google kann den Preis beliebig in die Höhe treiben, und die mitbietenden Suchmaschinen müssen ihr Investment durch aggressive Werbung oder Verkauf von Daten wieder hereinholen. Am Ende zahlt also der Konsument. Das pervertiert die Absicht, Googles Monopolstellung zu regulieren.
Wenn Europa nicht nur eine digitale Kolonie der großen US-Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon sein will, muss es endlich in eine eigene digitale Infrastruktur investieren. Und Websuche ist ein zentraler Bestandteil der digitalen Infrastruktur. Daher muss in diesem Bereich entweder strenger reguliert oder mehr investiert werden, um den Wettbewerb zu fördern. Nur so kann sich Europa langfristig aus dem Klammergriff der US-Tech-Riesen befreien.