Wie Google seine Marktmacht missbraucht

Ein Beispiel von vielen: Mit einer simplen technischen Änderung will Google alle Browsererweiterungen unbrauchbar machen, die sein Werbegeschäft behindern.

Chrome-Werbeblocker

Björn GreifRedakteur

50 Jahre nach den Anfängen des Internets ist heute über die Hälfte der Weltbevölkerung online. Wie rund vier Milliarden Menschen weltweit auf Informationen im Web zugreifen, wird jedoch hauptsächlich von US-Konzernen wie Google bestimmt. Der Monopolist im Browser- und Suchmaschinensegment nutze seine Marktmacht, „um Wettbewerb zu unterbinden und Innovation zu blockieren“, sagt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. In diesem Beitrag und künftigen Blogposts werden wir konkrete Beispiele dafür anführen.

Eines von vielen sind die unter dem Titel Manifest V3 angekündigten technischen Änderungen an Chrome und allen Chromium-basierten Browsern. Die von Google geplanten Schnittstellen-Modifikationen würden praktisch das Aus für Adblocker- und Datenschutzerweiterungen von Drittanbietern bedeuten.

Googles Argumente nicht stichhaltig

Google begründet die Änderungen damit, den Privatsphäre-Schutz und die Browser-Performance verbessern zu wollen. Beide Argumente wurden jedoch durch Untersuchungen von Cliqz entkräftet: Weder verlangsamen aktuelle Adblocker-Erweiterungen spürbar die Browser-Leistung, noch sorgen die geplanten Schnittstellen-Modifikationen für mehr Datenschutz.

Im Gegenteil: Die vorgeschlagenen Änderungen senken sogar das Datenschutzniveau, indem sie den Betrieb effektiver Datenschutz-Tools wie Privacy Badger oder Ghostery behindern. Im Fall von Ghostery hätten sie zur Folge, dass Performance und Konfigurationsoptionen eingeschränkt werden, häufiger Probleme mit Website-Funktionen auftreten und private Daten nicht mehr so gut geschützt sind.

Nutzer sind die Leidtragenden

Am Ende bleiben den Nutzern weniger Möglichkeiten, ihr Surfverhalten geheim zu halten, ihre Privatsphäre zu schützen und unerwünschte Inhalte zu blockieren. Niemand könnte mehr einen substanziellen Mehrwert gegenüber Googles eingebauter Technologie bieten, die bekanntlich keine Google-eigene Werbung blockiert.

Trotz massiver Kritik aus der Entwicklergemeinschaft will der Internetkonzern die geplanten Schnittstellen-Modifikationen offensichtlich mit aller Macht durchdrücken. Egal ob Google dies nun tut, um sein Werbegeschäft zu schützen oder allen anderen seine Regeln aufzuzwingen – unterm Strich ist es einfach ein eklatanter Fall von Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung.

Es braucht mehr unabhängige Alternativen

Wie das Beispiel Manifest v3 zeigt, hat Google die Macht, mit einer simplen technischen Änderung einen ganzen Branchenzweig zu zerstören. Dies ist nur möglich, weil es fast keine unabhängigen Alternativen gibt. Die meisten Browser nutzen die Chromium-Codebasis (z.B. Brave, Opera, Vivaldi, Edge) oder Google als Standardsuchmaschine (z.B. Firefox, Safari) und werden letztlich durch Google-Werbung finanziert. Und mit dem einzigen halbwegs ernstzunehmenden Konkurrenten Microsoft/Bing hat Google einen Nichtangriffspakt geschlossen.

So lange sich die Machtverhältnisse nicht ändern, bestimmen US-Konzerne wie Google, wie das Internet der Zukunft aussehen wird. Es ist höchste Zeit, den Unternehmen aus dem Silicon Valley Einhalt zu gebieten und wieder ein faires Wettbewerbsumfeld zu schaffen. Nur so können wir verhindern, dass Big Tech immer mehr Schlüsseltechnologien an sich reißen und schon heute die Märkte der Zukunft abschotten. Europa braucht eine eigenständige digitale Infrastruktur als Grundlage für eine unabhängige Zukunft, in der unsere Werte und Regeln gelten.