Offener Brief an die EU-Parlamentarier: Die wichtigste Frage an Mark Zuckerberg

Cliqz schlägt den Abgeordneten vor, den Facebook-CEO direkt zu Schattenprofilen und Off-Facebook-Surfdaten von Nicht-Facebook-Nutzern zu befragen.

Björn GreifRedakteur

Drei Tage vor dem Inkrafttreten der DSGVO wird Facebook in Person von CEO Mark Zuckerberg in Brüssel Rede und Antwort stehen zu dem zuletzt stark in die Kritik geratenen Umgang mit vertraulichen Daten. Am Dienstag, den 22. Mai, findet ein geschlossenes Treffen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und den Fraktionsvorsitzenden des EU-Parlaments statt.

Update 22. Mai 2018: Anders als zunächst geplant wird die Anhörung nun doch öffentlich sein. Interessierte können sie per Livestream auf der Website des Europäischen Parlaments mitverfolgen. Die Übertragung beginnt um 18:20 Uhr.

Cliqz fordert die Parlamentarier in einem offenen Brief auf, sich nicht wie ihre US-Kollegen mit Ausflüchten abspeisen zu lassen und die für die Privatsphäre aller Internetnutzer wichtigste Frage zu stellen: Speichert Facebook Schattenprofile?

Hier der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Präsident des Europäischen Parlaments,
Sehr geehrte Mitglieder der Konferenz der Präsidenten,
Sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments,
Sehr geehrte Mitglieder des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres,

Vor einigen Wochen haben die Mitglieder des US-Kongresses Mark Zuckerberg davonkommen lassen, als er sich bei der Beantwortung der wichtigsten Fragen zur Privatsphäre aller Internetnutzer unwissend stellte: Legt Facebook „Schattenprofile“ an, d.h. Profile von Nicht-Mitgliedern, und sammelt Facebook Daten über Nutzer außerhalb seiner Plattform? Wir sind zuversichtlich, dass unsere Vertreter hartnäckiger sein werden, um eine klare Antwort zu erhalten.

Da die parlamentarische Anhörung nicht öffentlich sein wird, um die Privatsphäre von Herrn Zuckerberg zu schützen, möchten wir vorschlagen, ihm einige Kernfragen zu unserer und zu Ihrer Privatsphäre zu stellen:

Herr Zuckerberg, Datenwissenschaftler von Cliqz haben festgestellt, dass Facebooks Tracking-Skripte auf rund einem Drittel aller Webseiten das Surfverhalten von Nutzern zusammen mit eindeutigen Identifikatoren erfassen. Während das Datenleck im Zusammenhang mit Cambridge Analytica „nur“ 2,7 Millionen EU-Bürger betraf, betrifft die Off-Facebook-Datenerfassung jeden einzelnen Internetnutzer weltweit – unabhängig davon, ob er Mitglied bei Facebook ist oder nicht.

Warum sammeln Sie diese Daten? Und speichern Sie diese Daten?

Sie haben vor einigen Wochen angekündigt, dass Sie Facebook-Mitgliedern ermöglichen werden, diese Daten zu löschen (was bedeutet, dass sie diese Daten speichern). Wann werden die von Ihnen gesammelten und gespeicherten Daten einsehbar? Wie viele Monate des Surfverlaufs haben Sie gespeichert? Werden Nicht-Mitglieder ebenfalls die Möglichkeit erhalten, die Daten einzusehen und vernichten zu lassen?

Wo genau in Ihren bisherigen Datenschutzrichtlinien haben Sie Ihren Nutzern mitgeteilt, dass Sie diese Daten sammeln und speichern? Haben Sie in Vorbereitung auf die DSGVO die Zustimmung Ihrer Nutzer zu dieser Art der Datensammlung eingeholt?

Sehr geehrte Mitglieder des Parlaments, gestatten Sie Herrn Zuckerberg nicht, bei diesen wichtigen Fragen erneut so zu tun, als wüsste er von nichts, wie er es vor dem US-Kongress getan hat. Selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt nichts gewusst haben sollte, weiß er jetzt Bescheid, wie seine Ankündigung vor einigen Wochen verdeutlichte. Bitte bestehen Sie auf eine klare Antwort zum Umfang des Trackings von Nutzern und Nicht-Nutzern außerhalb der Facebook-Plattform. Sie können ihn mit einer einfachen, eindeutigen Frage festnageln: Herr Zuckerberg, speichern Sie Off-Facebook-Surfdaten von Nicht-Facebook-Nutzern?

Wir für unseren Teil erstellen Tools, um Facebook und andere daran zu hindern, Schattenprofile von Internetnutzern anzulegen. Wir sind ein von Burda und Mozilla finanziertes deutsches Start-up, das Browser-, Such- und Datenschutztechnologien entwickelt. Unsere Browser der Marken Cliqz und Ghostery machen die versteckte Massenüberwachung mittels Tracking-Skripten für jedermann sichtbar.

Gerne zeigen unsere Datenwissenschaftler Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete, einige Beispiele dafür, wie gefährlich eine Tracking-basierte Datensammlung ist.

Bitte erlauben Sie den mächtigen Plattformen dieser Welt nicht, die Privatsphäre Ihrer Bürger zu zerstören. Als stolze EU-Bürger zählen wir auf Sie!

Hochachtungsvoll,
das Cliqz-Team

Marc Al-Hames
Geschäftsführer Cliqz GmbH

Jean-Paul Schmetz
Gründer Cliqz GmbH


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