Reporter ohne Grenzen: „Internetfirmen tolerieren Zensur“

Anlässlich des Welttags gegen Internetzensur kritisiert die Menschenrechtsorganisation, dass sich Unternehmen wie Facebook, Twitter und Apple „den Zensurforderungen autoritärer Regime beugen“. Sie müssten sich endlich ihrer Verantwortung bewusst werden.

Zensur in Social Networks

Björn GreifRedakteur

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat in einem zum gestrigen „Welttag gegen Internetzensur“ veröffentlichten Bericht die Bereitschaft großer Internetfirmen kritisiert, „sich den Zensurforderungen autoritärer Regime in aller Welt zu beugen“. Als Negativbeispiele nennt die Menschenrechtsorganisation in ihrem Report „Censorship and surveillance of Journalists: An unscrupulous business” Facebook und Twitter, aber auch Apple. Zugleich fordert sie die Technikfirmen auf, sich nicht weiter an Online-Zensurmaßnahmen zu beteiligen.

Im November 2016 kam heraus, dass Facebook mit Unterstützung von CEO Mark Zuckerberg heimlich eine Software entwickelt hat, die dafür sorgt, dass bestimmte Inhalte nicht im News Feed von Nutzers aus bestimmten Regionen auftauchen. Gegenüber der New York Times erklärten Quellen aus dem Unternehmensumfeld, dass man damit den Zensurforderungen der chinesischen Regierung nachkomme. Auf diese Weise wolle das Social Network wieder im chinesischen Markt Fuß fassen, von dem es sieben Jahre zuvor ausgeschlossen worden war.

Reporter ohne Grenzen äußert auch wachsende Besorgnis hinsichtlich Facebooks aktiver Zusammenarbeit mit bestimmten Regierungen, dem Löschen journalistischer Inhalte und undurchsichtigen Richtlinien zur „Moderation“ von Inhalten. Zum Beispiel habe Facebook im Dezember ohne Begründung für einige Tage die Seite ARA News blockiert, die über Entwicklungen in Syrien, Irak, der Türkei und anderen Teilen des Nahen Ostens berichtet. Das Facebook-Konto des thaiwanischen Karikaturisten Stephff wurde im Dezember geschlossen, kurz nachdem er eine satirische Zeichnung über Facebook und andere soziale Netze veröffentlicht hatte.

Diese Karikatur hatte Stephff gepostet, kurz bevor sein Facebook-Konto im Dezember geschlossen wurde (Bild: Stephff).
Diese Karikatur hatte Stephff gepostet, kurz bevor sein Facebook-Konto im Dezember geschlossen wurde (Bild: Stephff).

Zwischenzeitliches Opfer von „Facebooks willkürlichen Zensurmaßnahmen“ wurden laut ROG auch der Journalist Kevin Sessums, der Trump-Unterstützer als „ekelhaftes faschistisches Pack“ bezeichnet hatte, und das 1972 entstandene, weltbekannte Foto, das ein vietnamesischen Mädchen nach einem Napalmangriff zeigt. Diese und viele ähnliche Fälle endeten damit, dass das Konto wiederhergestellt und die Sperre aufgehoben wurde. Facebooks Entschuldigung lautet stets: „Uns tut dieser Fehler sehr leid. Der Beitrag wurde versehentlich entfernt und wiederhergestellt, sobald wir den Vorfall untersuchen konnten. Unser Team bearbeitet jede Woche Millionen Hinweise, und manchmal läuft etwas falsch.“

Auch Twitter und Apple stehen in der Kritik

Die anderen Internetriesen sind Reporter ohne Grenzen zufolge jedoch nicht viel besser. Twitter stand 2016 mehrfach in der Kritik, Journalisten zu zensieren. In der Türkei nutzte Twitter sein lokales Content-Management-Tool, um den Zugang zu einzelnen Tweets oder Konten aus bestimmten Ländern zu blockieren. Auf seiner Website erklärt Twitter, es handle lediglich auf Basis „einer zulässigen und gründlich geprüften Anfrage“. Dennoch setzte es nur wenige Tage nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei Mitte Juli 2016 die Anweisungen um, mehr als 20 Konten von Journalisten und Medien zu sperren. Nach eigenen Angaben ging es jedoch mit großem Aufwand gerichtlich gegen die Sperranfragen in der Türkei vor, die eine Vielzahl verifizierter Konten (von Journalisten) betrafen.

Auch Apple sah sich in der Vergangenheit öfter Zensurvorwürfen ausgesetzt – zuletzt im Januar 2017, als es in China die englisch- und chinesischsprachige App der New York Times aus seinem Angebot löschte. Die App sei nach Intervention der chinesischen Behörden aus dem iTunes Store entfernt worden, weil sie gegen “lokale Regularien” verstoße, erklärte das Unternehmen aus Cupertino. Selbstzensur bei iTunes ist aber schon seit 2008 ein Thema, als Apple seinen ersten Store in China eröffnete. Seitdem hat es zahlreiche Apps gesperrt, die sich um den Dalai Lama oder andere Tabuthemen in China drehen.

Firmen müssen sich ihrer Verantwortung stellen

Um Internetzensur zu begegnen, ruft Reporter ohne Grenzen die Privatwirtschaft unter anderem dazu auf, regelmäßig detaillierte Transparenzberichte zu veröffentlichen sowie offizielle Anfragen von Regierungen offenzulegen, die das Zurückhalten von Inhalten oder das Löschen von Konten fordern. Zudem sollten Firmen die Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu Geschäftspraktiken und Menschenrechten beachten und umsetzen. Dazu gehörten die Leitlinien für „verantwortungsvolle Verträge“, wie sie John Ruggie, UN-Sonderbeauftragter für Menschenrechte und transnationale Unternehmen, ausgearbeitet hat. Demnach tragen Firmen eine Teilverantwortung für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, die auf ihre Technologie zurückzuführen sind. Auch Unternehmen wie Facebook, Twitter und Apple müssen sich der Verantwortung gegenüber ihren Nutzern bewusst sein. Sie dürfen sich nicht zu Handlangern autoritärer Staaten machen lassen, indem sie geschäftliche Interessen über die Wahrung der Menschenrechte stellen.

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