Werbetracker überwachen Besucher auf 89 Prozent aller EU-Regierungswebsites
Teilweise finden sich laut einer Analyse von Cookiebot über 50 Tracking-Skripte pro Seite. Google ist auch hier der größte Datensammler.
Tracker sammeln praktisch überall im Netz Daten über Internetnutzer – meist um sie für kommerzielle Zwecke, sprich Werbung, zu verwenden. Dabei machen sie auch nicht vor Regierungswebsites halt, wie eine Untersuchung von Cookiebot zeigt. Demnach finden sich Werbetracker auf 89 Prozent der offiziellen Regierungswebsites der EU-Mitgliedsstaaten.
Die meisten kommerziellen Drittanbieter-Tracker sind laut Cookiebot auf Webseiten der französischen (52), lettischen (27), belgischen (19) und griechischen (18) Regierung aktiv. Das heißt, dass beispielsweise auf der französischen Regierungswebsite allein 52 verschiedene Firmen Daten erfassen. Insgesamt enthalten die offiziellen Regierungswebsites von 25 der 28 EU-Mitgliedsstaaten mindestens einen kommerziellen Tracker. Lediglich die Webseiten der deutschen, niederländischen und spanischen Regierung sind frei davon.
Studie bestätigt Erkenntnisse von WhoTracks.me
Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit denen einer früheren Untersuchung von WhoTracks.me. Diese hatte ergeben, dass US-Regierungsseiten mit der Domainendung .gov im September 2018 im Schnitt mehr als 2,4 Drittanbieter-Tracker enthielten. Auf französischen, britischen und EU-Seiten hatte WhoTracks.me ebenfalls mindestens jeweils einen Tracker entdeckt.
Das Tracking auf Regierungswebsites ist besonders perfide, weil die Nutzung dieser Websites in manchen Fällen unumgänglich ist. Bürger haben oft keine andere Wahl als auf diese Behördenseiten zuzugreifen – etwa um Steuer- oder Visadaten zu übermitteln – und übertragen somit gezwungenermaßen Daten an Dritte. Die Tracker-Betreiber erhalten zumindest wertvolle Metadaten über Bürger. Werden diese Metadaten mit anderen Informationen verknüpft, lassen sich Personen sehr leicht identifizieren und umfassende Nutzerprofile erstellen.
Google ist der größte Datensammler
Wenig überraschend sind Googles Tracker (Google, YouTube, Doubleclick) laut der Cookiebot-Analyse am häufigsten auf Regierungsseiten vertreten. Schließlich ist der Internetgigant der mit Abstand größte Datensammler vor Facebook. Mit seinen Tracking-Skripten überwacht Google mehr als 80 Prozent des weltweiten Internetverkehrs. Seine Werbetracker finden sich auf 82 Prozent der EU-Regierungswebsites und sammeln dort Daten über das Surfverhalten der Nutzer.
In den Datenschutzerklärungen der Behördenwebsites wird laut Cookiebot zwar häufig Google Analytics aufgeführt, das zur Analyse und Auswertung von Website-Besuchen dient, Werbetracker wie Doubleclick bleiben aber meist unerwähnt. Letzteres stelle einen klaren Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar.
Tracker gelangen an teils hochsensible Daten
Auch behördliche Informationsseiten zu Gesundheitsthemen wie Schwangerschaft, HIV, Krebs, psychischen Erkrankungen oder Alkoholismus sind der Cookiebot-Analyse zufolge mit zahlreichen Werbetrackern verseucht. Selbst wer im Netz Informationen oder Rat zu solch hochsensiblen Themen sucht, muss offenbar immer damit rechnen, dass er dabei von Unternehmen wie Google überwacht wird. Die Tracking-Firmen können somit leicht Rückschlüsse auf die aktuelle Lebenssituation und den Gesundheitszustand ziehen. Mithilfe der gesammelten Daten lässt sich beispielsweise gezielt Werbung schalten oder sogar eine Risikobewertung für Versicherte vornehmen.
Insgesamt hat Cookiebot auf 52 Prozent der untersuchten Seiten nationaler Gesundheitsbehörden Drittanbieter-Tracker gefunden. Auf fast drei Vierteln (73%) der Seiten der irischen Gesundheitsbehörde waren zum Untersuchungszeitpunkt Tracking-Skripte eingebunden. Dahinter folgten Großbritannien mit 60%, Spanien (53%), Frankreich (47%), Italien (47%) und Deutschland (33%). Allein 21 Tracker überwachten Besucher einer französischen Behördenwebsite, die über Abtreibung informiert. Sage und schreibe 63 Tracker fand Cookiebot auf einer Informationsseite zum Thema Elternzeit und Mutterschutz des Stadtportals hamburg.de.
Selbst einige EU-Datenschutzbehörden gehen anscheinend sehr leichtfertig mit Drittanbieter-Trackern um. Beispielsweise finden sich auf der offiziellen Website des britischen Information Comissioner’s Office gleich mehrere Google-Tracker.
Tracking-Industrie außer Kontrolle
Die Ergebnisse der Cookiebot-Untersuchung zeigen, wie erschreckend leicht es der Adtech-Industrie gemacht wird, ihre Tracking-Skripte sogar auf Websites zu platzieren, die nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen sind und eigentlich DSGVO-konform sein müssen. Teilweise schleusen Tracker ihre Skripte heimlich über kostenlose Drittanbieterdienste wie Video-Plug-ins oder Social-Sharing-Buttons ein. Ganz offensichtlich ist das Tracking-Ökosystem außer Kontrolle.
Daniel Johannsen, Gründer und Geschäftsführer von Cookiebot, sagt dazu:
Wir haben festgestellt, dass viele Adtech-Tracker andere Drittanbieter über Plug-ins einschmuggeln, ohne die Zustimmung der Nutzer oder das Wissen der Regierungen selbst. Obwohl die Regierungen die dokumentierte Datenerhebung vermutlich nicht kontrollieren oder nutzen, lassen sie es dennoch zu, dass die Privatsphäre ihrer Bürger gefährdet wird, was gegen die Gesetze verstößt, die sie selbst erlassen haben.
Wer seine Privatsphäre im Netz besser schützen möchte, sollte daher selbst aktiv werden. Empfehlenswert sind Anti-Tracking-Tools wie Ghostery oder Cliqz, die zuverlässig verhindern, dass personenbezogene Daten beim Besuch einer Website an Dritte übermittelt werden.