Browser-Auswahl für Android muss echte Alternativen bieten
Ohne wirklich unabhängige Anbieter gibt es keine echte Wahlmöglichkeit. Wenn nur Scheinalternativen zur Wahl stehen, die Googles Codebasis, Suche oder Suchindex verwenden und durch Google-Werbung finanziert werden, profitiert am Ende wieder Google.
Google wird Android-Nutzern in Europa künftig eine Auswahl von Browsern und Suchmaschinen anzeigen, die sie auf ihrem Mobilgerät verwenden können. Das hat der Konzern Anfang vergangener Woche in einem Blogbeitrag bekannt gegeben. Er reagiert damit auf eine Kartellentscheidung der Europäischen Union vom Juli 2018, die ihn zur Zahlung einer Rekordstrafe von 4,34 Milliarden Euro verpflichtete.
Google hatte seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt und unter anderem Hersteller von Android-Geräten gezwungen, seine Browser- und Such-App vorzuinstallieren. Diese von der EU-Kommission verurteilte Praxis der Wettbewerbsbehinderung im Mobilbereich muss der Internetgigant abstellen. Mit dem Auswahlbildschirm wird Google wahrscheinlich einen ähnlichen Ansatz wählen, den Forderungen der EU nachzukommen, wie einst Microsoft mit der Browser-Auswahl für Windows-Nutzer.
Freie Wahlmöglichkeit für Android-Nutzer
„Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass ein Auswahlbildschirm ein wirksames Mittel zur Förderung freier Wahlmöglichkeiten für Nutzer sein kann“, kommentierte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Im Google-Android-Fall hat er das Potenzial, den Nutzern eine echte Wahlmöglichkeit darüber zu geben, welche Suche und welchen Browser sie auf ihrem Android-Gerät verwenden möchten.“ Man werde genau beobachten, wie Google den Auswahlbildschirm-Mechanismus umsetzt.
Für Android gibt es dutzende Browser und Such-Apps. Daher wird Google eine Vorauswahl treffen müssen, welche Alternativen es Nutzern anzeigen will. Nach welchen Kriterien diese Vorauswahl erfolgen wird, ist aber noch offen.
„Um einen wirklich fairen Wettbewerb zu garantieren, müssen auch kleinere europäische Anbieter mit innovativen, datenschutzfreundlichen und von Google unabhängigen Geschäftsmodellen prominent in der Browser-Auswahl erscheinen“, fordert Cliqz-Geschäftsführer Marc Al-Hames. „Nur so haben wirklich unabhängige Player eine reelle Chance im Markt. Andernfalls würde aus dem aktuellen Google-Monopol lediglich ein US-Duopol aus Google und Microsoft.“
Fast alle sind von Google oder Microsoft abhängig
Um echten Wettbewerb herzustellen, müssen die Kartellwächter vor allem die Geschäftsmodelle der „alternativen” Anbieter unter die Lupe nehmen. Die meisten Android-Browser nutzen Google als Standardsuchmaschine, weil sie dafür üppig bezahlt werden. Das Geld stammt aus Googles milliardenschwerer Kriegskasse, die dank des hoch lukrativen Suchmaschinen-Werbegeschäft immer prall gefüllt ist.
Google hat in diesem Geschäftsfeld den Zugang zum Kunden durch unfaire Praktiken quasi monopolisiert, diktiert den Werbekunden die Preise und zahlt noch nicht einmal Steuern auf seine Milliardengewinne. So ist Google jederzeit in der Lage, Konkurrenten – falls nötig – zu überbieten, um sie aus dem Markt zu drängen. Und genau diese Praxis wendet es seit Jahren ganz systematisch an. Dagegen kommt niemand an – selbst Microsoft nicht, obwohl es mit Bing eine ähnliche Strategie verfolgt.
Wie die meisten Browser sind auch „alternative” Suchmaschinen häufig entweder von Googles oder Microsofts anhängig, weil sie deren Suchindex nutzen oder sich durch Google- bzw. Bing-Werbung finanzieren. Oft handelt es sich also um bloße Scheinalternativen, weil die Daten und somit das Geld am Ende wieder bei Google bzw. Microsoft landen.
Darüber hinaus verwenden die meisten Android-Browser Googles Chromium als Codebasis (das gilt künftig sogar für Microsoft Edge). Das ist insofern problematisch, als dass Google bestimmt, in welche Richtung sich Chromium-Browser entwickeln, indem es unter anderem Regeln für die Nutzung von Schnittstellen festlegt. Durch Schnittstellen-Modifikationen wäre Google jederzeit in der Lage, zum Beispiel unliebsame Browser-Erweiterungen zum Blockieren von Inhalten wie Adblocker oder Datenschutz-Tools größtenteils unbrauchbar zu machen, um sein Werbe- und Datensammelgeschäft zu schützen. Das hat der jüngste Spezifikationsentwurf für Chrome/Chromium-Erweiterungen (Manifest V3) gezeigt, der von der Entwickler-Community heftig kritisiert wurde.
Echte Alternativen statt bloße Scheinalternativen
Wirklich unabhängige Anbieter, die nicht auf irgendeine Weise mit Google oder Microsoft in Geschäftsbeziehung stehen, gibt es nur sehr wenige. Das veranschaulicht folgende Übersicht:
Will die EU für Android-Nutzer tatsächlich eine freie Wahlmöglichkeit bei Browsern und Suchmaschinen, muss sie dafür sorgen, dass Google nicht nur Scheinalternativen in seinem Auswahl-Bildschirm anzeigt, sondern auch wirklich unabhängige europäische und datenschutzfreundliche Alternativen wie Cliqz oder Qwant. Dass solche echte Alternativen Googles Datensammlung und Geschäftsmodell untergraben, darf bei der Vorauswahl keine Rolle spielen.